Das Recht auf selbstbestimmte Bildungswege
view[s] & perspective[s] #04 zum Internationalen Tag der Bildungsfreiheit
Wenn von Bildungsfreiheit geredet wird, deren Tag international seit 2006 alljährlich am 15. September begangen wird, dann wird mitunter ironischerweise darauf hingewiesen, dass man in diesem Fall ja frei von Bildung wäre – ein unerwünschtes Ziel. Die Schulpflicht – so die Replik – wolle genau das verhindern. Dass das Recht auf Bildung paradoxerweise durch eine Pflicht garantiert wird, fällt da offenbar nicht ins Gewicht. Über die Chancen und Herausforderungen, selbstbestimmten Bildungswegen zu folgen.
Als in der sogenannten Corona-Krise Heimunterricht plötzlich an der Tagesordnung stand, wurde nicht wenigen Eltern bewusst, was es bedeutet, wenn ihr Nachwuchs plötzlich selbstbestimmt und ohne entsprechende Unterstützung durch Lehrende Aufgaben erfüllen und auf diese Weise lernen sollte. Zudem wurde klar, welche Inhalte den jungen Menschen auf welchem Weg vermittelt werden. Das führte zum einen dazu, dass sich Eltern neben der Bewältigung ihres eigenen Alltags, den Herausforderungen der Krise und den nun dazugekommenen Schulaufgaben zum Teil heillos überfordert fühlten. Zum anderen kamen die einen oder anderen auf die Idee, Schule außerhalb des Schulsystems zu organisieren. Es entstanden „Online-Schulen“, die laut österreichischer Gesetzgebung mangels eines Schulgebäudes untersagt sind, ebenso wie privat organisierte Lerngruppen, die wiederum als illegal angesehen werden, weil sie nicht den Bedingungen des Privatschulgesetzes entsprechen. Ausgehend davon erfuhren Eltern etwas über die Bildungsbedürfnisse ihrer Sprösslinge, denen die Schule in ihrer aktuellen Form nicht immer gerecht wird. Manche begannen daraufhin auch nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen, ihre Töchter und Söhne auf ihrem tatsächlich selbstbestimmten Bildungsweg zu unterstützen. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Es hagelte Anzeigen wegen Schulpflichtverletzungen, die zu einer Verwaltungsstrafe und der Anordnung, die Kinder zur Schule zu schicken führten. In manchen Fällen wurde von den Schulbehörden auch die Jugendwohlfahrt kontaktiert und diese zur Überprüfung einer vermeintlichen Verletzung des Kindeswohls aufgefordert. Bloß in einem mir bekannten Fall kam es wirklich zu einem teilweisen Sorgerechtsentzug, die Bildungsmaßnahmen betreffend, dies aber auch aufgrund einer langjährigen „Vorgeschichte“, die weit vor der Covid19-Zeit begonnen hatte. Trotz dieser seither rigoros durchgeführten Strafmaßnahmen, blieben mehr junge Menschen und deren Eltern auf einem individuellen Bildungsweg als vor den Corona-Tagen. Was in anderen Ländern legal ist, ist in Österreich weiterhin verboten. Trotz der mannigfaltigen Krisen im Schulsystem besteht der Gesetzgeber nämlich auf der juristisch so bezeichneten „Unterrichtspflicht“. Diese kann durch den Schulbesuch oder durch den häuslichen Unterricht erfüllt werden, an dessen Ende Externistenprüfungen in allen für die Schulstufe und Schulart vorgesehenen Fächern stehen. Dadurch muss der erfolgreiche Abschluss des Schuljahres nachgewiesen werden. Andernfalls muss die Schulstufe in einer öffentlichen Schule wiederholt werden – auch wenn es nur in einem Fach eine negative Bewertung gab. Ein Paradoxon – genauso wie die Tatsache, dass das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Bildung nur durch diese Unterrichtspflicht ermöglicht wird.
Nachdem Behörden und Bildungspolitiker weiterhin daran festhalten wollen und es vor einigen Jahren mit der Einführung der Bildungspflicht für 15-18-Jährige sogar noch eine Verschärfung im Bildungssystem gegeben hat, bleiben denen, die Bildungsfreiheit als Menschenrecht erachten, nur illegale Wege. Neben der Tatsache, dass man in diesem Fall zum Gesetzesbrecher wird, warten noch weitere Herausforderungen. Denn um den Bildungsbedürfnissen des eigenen Nachwuchses gerecht zu werden, braucht es mitunter mehr als bloß elterliche Begleitung. Wobei die Eltern wohl die ersten sein können, die wahrnehmen, dass ihr Sprössling einen anderen als den in unseren Breiten klassischen Weg über die Bildungseinrichtungen beschreiten will. Das kann sich auf verschiedenste Weise und auch in ganz unterschiedlichem Alter äußern:
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