Wie ich zum Schreiben gekommen bin – oder das Schreiben zu mir.
memory[s] - Episode 1
Mit Erinnerungen ist das so eine Sache. Sie tauchen auf und verschwinden wieder. Sie sind höchst subjektiv. Wenn man sie bewusst herbeiführen will, dann versagen sie sich einem mitunter. Ausgelöst werden sie oft von aktuellem Erleben, Emotionen oder Sinneseindrücken, man kann in ihnen auch derart versinken, dass Gegenwart und Zukunft völlig verloren gehen. Sich zu erinnern mag auch eine Frage des Alters sein, ebenso kann ein aktuell ereignisarmes Leben ein An-Früher-Denken auslösen. Je näher man dem Ende des eigenen Lebens kommt, desto eher tritt der Impuls auf, seine Lebenserinnerungen bei Gelegenheit zu erzählen oder diese auch festzuhalten. Meine Kolumne „memory[s]“, die ich in der Rubrik „poetry[s]“ starte, gründet auf einem „Von-allem-ein-bisschen-Was“; in Summe aber genug, um mit persönlichen Memoiren zu beginnen. Da diese wertvoll sind, haben sie ihren Wert; daher stehen sie all jenen exklusiv zur Verfügung, die diesen Wert erkennen und ihn durch ein Bezahlabo honorieren wollen. Der erste Beitrag steht allen noch in voller Länge zur Verfügung, als Appetitanreger sozusagen. Wohl bekomm’s.
Hinweis: Die Hörfassung ist für alle zahlenden Abonnenten am Ende des schriftlichen Beitrags abrufbar!
Wo jetzt beginnen mit meinen Erinnerungen? Mittendrin und assoziativ, denke ich; denn eine chronologische Aufbereitung muss scheitern, weil sich im Zurückschauen nicht ein Moment an den anderen in der korrekten zeitlichen Abfolge aneinanderreihen lässt. Da ist immer das, was im Augenblick von Bedeutung ist. Und selbst das ist eine Herausforderung, weil in den letzten Tagen und Wochen so viele Erinnerungen aufgetaucht – und auch wieder verblasst sind und diese sich im Moment des Schreibens, ihres Beschreibens nicht nur auf verblüffenden Weise aus dem Gedächtnis zurückziehen, sondern plötzlich auch ihre Wichtigkeit, die sie vor kurzem noch hatten, verlieren.
Wann hat mein Schreiben eigentlich begonnen? In der Zeit vor der Schule, aus der die eine oder andere Notiz überliefert ist, vielmehr Zeichnungen, in denen auch Buchstaben, manchmal auch Namen oder Worte auftauchen, die ich geschrieben habe? Im ersten Schuljahr, als ich mühsam die immer gleichen Buchstaben in Reihen mit mäßigem Erfolg in vorgegebene Zeilen zu quetschen versucht habe und daher nur mit „Gut“ bewertet wurde? In den darauf folgenden für mein Schreiben aus heutiger Sicht betrachtet bedeutungslosen Jahren, in denen ich Vorgegebenes abgeschrieben und Eigenes aufgrund der Anforderung seitens meiner Lehrerinnen, grafisch korrekt und im Sinne der Rechtschreibregeln richtig zu schreiben, nur mit viel Mühe und gar keiner Freude hervorgebracht habe? Als die Füllfeder dazukam und mir das Schreiben nochmals schwerer fiel, obwohl oder gerade weil die als im heutigen Sinne völlig unwoke bzw. politisch inkorrekt als Tintentod bzw. Tintenkiller bezeichneten Korrekturwerkzeuge verwendet werden durften? Oder doch erst, als ich im Gymnasium nicht mehr abschreiben sondern den Lehrervortrag mit eigenen Notizen dokumentieren durfte? Vielleicht sogar noch viel später im Rahmen von Deutschschularbeiten, in denen Eigenes im Mittelpunkt stand, auch wenn das Thema so was von uninteressant war? Ich fürchte, dass diese Anlässe eher dazu geneigt waren, mit dem Schreiben erst gar nicht anzufangen.
Von Geschriebenen angesprochen war ich aber bald. Ich las seit ich lesen konnte, ich verschlang vielmehr Buch um Buch und wagte mich auch schon in sehr jungen Jahren dank der Leseaffinität meines Vaters an so manches Werk von Stifter oder Kafka, über deren Leben und Schreiben ich dann in der Oberstufe auch mehrere Stunden lang referieren durfte. Das Schloss, Amerika, Witiko und Nachsommer sind mir noch in lebhafter Erinnerung, sie stehen auch nach wie vor in meinem Bücherregal. Auch wenn mir so manches unverständlich blieb, war ich vom Schreiben dieser aber auch anderer Autoren fasziniert. Zudem hatte ich einen Schulkollegen, ja, ich möchte ihn sogar Schulfreund nennen, der selbst zu schreiben begann und seine Texte für eine Anthologie einreichte, in der alljährlich von einer Jury prämierte Werke junger Literatur veröffentlicht wurden. Von meinem Großvater mütterlicherseits wurde ich – weil er als pensionierter Geldbriefträger mit einer Beschäftigung in der Postabteilung der Tageszeitung KURIER etwas dazu verdiente – bei seinem w wöchentlichen Besuch mit Zeitungen und Zeitschriften versorgt, was mir den Journalismus schmackhaft machte. Dies und meine erste Liebe zündeten letztlich das, was mir spät in meinem Leben zur Berufung geworden ist und seit einiger Zeit sogar einen Teil zu meinem Auskommen beiträgt, mit der Zuversicht, das dieser stetig wachsen wird und mich von anderen Beschäftigungen, mit denen ich Geld verdiene, befreien wird, weil ich mich ihnen nach und nach entfremdet habe.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die Klassenzeitung in der Unterstufe des Gymnasiums, die meine Kollegen und ich „Blitz“ nannten; ebenso denke ich an die Zeitung, die ich für meine Pfadfindergruppe herausgab und die den Namen SCN (Scout Corner News) trug. Beim Layout orientierte ich mich an der neuen Arbeiterzeitung, AZ genannt. Politisch völlig anders sozialisiert fand ich es vor allem spannend, dass der von mir geschätzte ORF-Moderator Robert Hochner als Chefredakteur eingesetzt wurde. Auch das Gestalten von Radiosendungen faszinierte mich, mit meinen Freunden produzierte ich mit Hilfe des Kassettenrekorders meines Vaters so manche Sendung, die nie on air ging. Es gab auch eine Phase, in der ich Sportreporter werden wollte. Von einer befreundeten Familie wurde ich zum Motocross-Rennen im niederösterreichischen Sittendorf mitgenommen, wo ich den Ü-Wagen des ORF und den damaligen Sportchef Franz Krynedl kennen lernte. Bei diesem Anlass fuhren wir nach dem Rennen mit einem Range Rover über die buckelige Strecke, ich war froh, dass ich dieses Erlebnis ohne zu kotzen überstanden habe.
Erste literarische Texte entstanden mit der Liebe. Mit 18 – nach der Matura und während der ungeliebten Zeit beim Bundesheer – reichte ich ein Hörspiel bei einem Literaturwettbewerb von Radio Wien ein und gewann den Hauptpreis in dieser Kategorie. Dieses ist – wie auch ein Drehbuch für einen Kurzfilm für einen UNO-Wettbewerb zum Thema Arbeit, bei dem meine Freunde und ich aber nicht erfolgreich waren – einem meiner Rappel zum Opfer gefallen, in denen ich das vernichte, das augenscheinlich nicht mehr bedeutend ist. Dabei gingen auch andere Frühwerke drauf, die ich heute oft schmerzlich vermisse. Solche Aktionen sind Ausdruck meiner destruktiven Seite. Etwas zerstören, um wieder neu anfangen zu können und dem von Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“ beschworenen Anfängergeist zu frönen: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne … So auch diesem Anfang meiner Lebenserinnerungen. Übers Schreiben werde ich später sicher noch das eine oder andere Mal schreiben, diese Zeilen waren diesbezüglich sicher nur der Anfang.
Am Schluss dieser ersten „memory[s]“ möchte ich mir selbst noch etwas ins Stammbuch schreiben, nämlich jeden weiteren Beitrag in der Kolumne als einen neuen Anfang zu sehen – und ja, was noch besser wäre, jeden Tag oder gar jeden Moment meines weiteren Lebens, das ja noch (lange) nicht vorbei ist.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, meinen Lebenserinnerungen zu folgen, kann diese in Form eines Bezahlabos ab etwas mehr als 4 Euro im Monat (beim Jahresabo) frei Haus bestellen. Geplant habe ich, diese einmal pro Woche zu servieren. Danke im Voraus für diese Buchung!
Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay
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