Der Fauxpas des Präsidenten
re.action auf den Regierungsbildungsauftrag an die ÖVP
Es war zu erwarten und hat dennoch überrascht. Die Demokratie zu schützen, in dem man undemokratische Entscheidungen trifft, ist zwar auch in Österreich nichts Neues, im Hinblick auf die Erteilung eines Regierungsbildungsauftrages aber ein bislang einmaliger Vorgang. Und diesen Fehltritt, nämlich der stimmenstärksten Partei ex officio die Möglichkeit zu nehmen, eine Koalition zu formen, wortreich und basierend auf den Argumenten der anderen beiden stimmenstarken Parteien zu erklären, ein letztlich unentschuldbarer und folgenreicher Fehler. Die FPÖ und ihr Parteichef Herbert Kickl haben durchaus das eine oder andere zu dieser möglichen Sichtweise beigetragen (Stichworte: Haltung gegenüber den Identitären, Volkskanzler Kickl, Medien-Bashing), ihr aber deshalb die Regierungsfähigkeit abzusprechen, ist ein Schritt, der in die falsche Richtung zu gehen droht, nämlich die FPÖ weiter zu stärken.
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Bei den letzten Wahlen kamen die Freiheitlichen auf knapp 29% der abgegebenen gültigen Stimmen (relativiert, nämlich unter Berücksichtigung der Nichtwähler und der ungültigen Stimmen, kam sie gar nur auf 22,1% der Wahlberechtigten), in aktuellen Umfragen liegen sie bei rund 30%. Dieses knappe Drittel ist das Beste, was es im Moment zu erreichen gibt. In dem man die FPÖ, die aus meiner Sicht rechtspopulistisch ist (wenn man denn unbedingt eine Schublade bedienen will), nun zum Opfer macht, drängt man sie gleichsam in die Märtyrerrolle, in den Medien gerne und verharmlosend als „Schmollwinkerl“ bezeichnet. Märtyrer sind gerade in radikalen Kreisen wertvolle Personen, weil sie eine Sache befeuern, die man mit welchen Mitteln auch immer durchsetzen mag und damit Gefolgsleute rekrutieren kann. Und auch vorerst Schmollende können, wenn sie sich wieder gefasst haben, zu gefährlichen Tätern werden, im Extremfall sogar zu Amokläufern. In dieser Überspitzung, die ich mit diesen Formulierungen vermutlich betreibe, zeigen sich aber die Gefahren dieser Vorgangsweise des Bundespräsidenten.
Am meisten dient man der Demokratie damit, dass man sie am Leben erhält, mit allen ihren Macken und Fallstricken – die es selbstverständlich mittel- bis langfristig zu tilgen gilt. Wirklich liberale Demokratien – unser HBP hält Österreich seinen eigenen Worten nach dafür – bieten einen gesunden Mix aus repräsentativer und direkter Demokratie; letzteres wird in Österreich aber seit jeher stiefmütterlich behandelt, wie ich ausführlich schon an anderer Stelle beschrieben habe und führt einerseits zur Sichtweise, dass man als Bürger alle paar Jahre seine Stimme abgeben darf und nachher nichts mehr mitzureden hat, andererseits befeuert es Parteien, die vorgeblich „dem Volk“ die Stimme wieder zurück geben wollen. Bei genauerer Betrachtung halten es diese aber dann á la longue ebenso, oftmals auch viel radikaler: wenn ein Thema gegen deren Sichtweise zu driften droht, wird es abgedreht oder durch die Kraft der repräsentativen Demokratie, in der Abgeordnete ihrem Gewissen, aber nicht den Wählern verpflichtet sind, im eigenen Sinn entschieden.
Was also hat das österreichische Staatsoberhaupt dazu veranlasst, gegen die bisherigen Usancen zu verstoßen?
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